ei Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung kann der SGLT2-Hemmer Canagliflozin ein Nierenversagen aufhalten und schützt zudem vor kardiovaskulären Ereignissen. Das zeigen Ergebnisse der CREDENCE-Studie mit 4.401 Patienten, die auf dem World Nephrology Congress in Melbourne präsentiert und im New England Journal of Medicine publiziert worden sind [1].
„Unsere Resultate indizieren, dass eine Behandlung mit Canagliflozin Herz und Nieren von Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung effektiv schützen kann“, berichtet das internationale Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Vlado Perkovic, Leiter des George Institute for Global Health an der University of New South Wales, Sydney, Australien.
Insgesamt kann die Bedeutung von CREDENCE, einer großen und hervorragend durchgeführten Studie, nicht überbewertet werden“, loben Dr. Julie R. Ingelfinger und Prof.Dr. Clifford J. Rosen, Tufts University School of Medicine, Boston, USA, in einem Editorial [2]. „Solche Erkenntnisse werden ganz sicher von Patienten mit Diabetes und chronischer Nierenerkrankung sowie den Ärzten, die sie behandeln, sehr begrüßt werden.“
Nephroprotektion erfolgreich – Studie terminiert
Die Phase-3-Studie mit renalen Endpunkten wurde nach der Randomisierung von 4.401 Patienten Mitte 2018 vorzeitig gestoppt, nachdem eine geplante Interimsanalyse nach durchschnittlich 2,62 Jahren Follow-up eine 30%ige Reduzierung des primären Studienendpunks in der Canagliflozin-Gruppe versus Placebo ergeben hatte. Primärer Endpunkt der Studie war eine Kombination aus terminaler Niereninsuffizienz, mindestens 30 Tage anhaltender Verdopplung des Serum-Kreatinins im Vergleich zum initialen Wert oder Tod aufgrund renaler oder kardiovaskulärer Erkrankungen.
Bereits früher haben die 3 großen kardiologischen Endpunktstudien EMPA-REG OUTCOME, CANVAS und DECLARE-TIMI 58 auf eine mögliche Verbesserung renaler Endpunkte durch diese Blutzuckersenker bei Patienten mit Typ-2-Diabetes hingedeutet.
„Beeindruckt hat mich die Konsistenz der Befunde von CREDENCE im Vergleich zu den Ergebnissen der Progressionsverzögerung der diabetischen Nierenerkrankung in den 3 großen kardiovaskulären Endpunktstudien“, sagt Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum Würzburg und Co-Autor der EMPA-REG-Studie. Vor allem sei die Risikoreduktion auch im Stadium 3 der chronischen Nierenerkrankung prominent nachweisbar gewesen; „ein Befund, der bisher nur auf sehr kleinen Zahlen in den vorherigen Studien beruhte“.
Länger leben ohne Dialyse
Die randomisierte Doppelblind-Studie CREDENCE (Canagliflocin and Renal Events in Diabetes with Established Nephropathy Clinical Evaluation) hat einen nephroprotektiven Effekt von Canagliflozin (Tagesdosis: 100 mg) gegenüber Placebo bei 4.401 Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz untersucht.
Die mittlere glomeruläre Filtrationsrate (GFR) der Patienten (Durchschnittsalter: 63 Jahre) betrug 56,2 ml/Minute/1,73 m2, der mittlere Albumin-Kreatin-Quotient lag bei 927. Bei rund 60% lag die GFR unter 60 ml/Minute/1,73 m2. Alle Teilnehmer wurden mit einem Renin-Angiotensin-System (RAS)-Blocker behandelt, dem aktuell einzigen für die Nephroprotektion bei Typ-2-Diabetes zugelassenen Medikament.
Nach einem mittleren Follow-up von 2,62 Jahren lag das relative Risiko für den primären Endpunkt in der Canagliflozin-Gruppe um 30% unter dem der Kontrollgruppe; bei einer Beschränkung auf die renale Komponente des primären Endpunkts betrug die relative Risikoreduktion sogar 34%.
Auch beim sekundären Endpunkt, kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz profitierten die Patienten in der Interventionsgruppe (-31%).
„Diese Effekte wurden deutlich, obwohl sich die Gruppen nur geringfügig unterschieden hinsichtlich Blutzuckerspiegel, Gewicht und Blutdruck“, schreiben die Autoren. Das suggeriere, dass der Mechanismus, der dem nephroprotektiven Effekt des SGLT2-Hemmers zugrunde liege, nicht durch den Glukosespiegel beeinflusst werde, sondern sich aus einer Minderung des intraglomerulären Drucks ergeben könnte, vermuten sie.
Erhöhtes Amputationsrisiko nicht bestätigt
Hinsichtlich Komplikationen bestand kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen; auch nicht bei Amputationen der unteren Extremitäten oder Frakturen. Das sei „beruhigend und stimme mit anderen Studien zu SGLT2-Hemmern überein, nicht jedoch mit dem CANVAS Programm“. Unter der Therapie mit Canagliflozin hatte sich in dieser Studie ein erhöhtes Amputationsrisiko gezeigt.
Insgesamt sei der nephroprotektive Effekt von Canagliflozin erwartbar gewesen, sagt Wanner. Man sei von einer geplanten Behandlungsindikation für die diabetische Nierenerkrankung (DKD) im Stadium 3 mit einer glomerulären Filtrationsrate im Bereich von 30-60 ml/min/1,73m2 ausgegangen.
„Diese Indikation wird nur auf der Basis von sehr soliden Daten gewährt. Insofern musste CREDENCE derart positive Ergebnisse aufzeigen.“ Unklarheit bestand lediglich hinsichtlich potenzieller Nebenwirkungen wie Fußamputationen. „Diese Bedenken wurden durch CREDENCE nicht bestärkt“, so der Experte.
Nachhaltig verändern werde sich durch die zusätzliche Gabe von Canagliflozin zur Standard-Therapie mit einem RAS-Blocker vor allem die Dialysepflichtigkeit, die in der Studie um rund ein Drittel gesenkt werden konnte, sagt Wanner.
Als Diabetes-Medikament habe der SGLT2-Hemmer bei einer Nierenfunktion unter 60 ml/min/1,73m2 keinen Stellenwert, da die HbA1c-Absenkung mit rund 0,3% zu gering sei, um therapeutisch genutzt zu werden. „Ich sage sogar voraus, dass bei progredienter diabetischer Nierenerkrankung mit Albuminurie ein SGLT2-Hemmer eingesetzt werden wird, ohne den HbA1c-Wert zu kontrollieren“, so seine Prognose.
EMPA-KIDNEY-Studie dauert noch an
Unter Wanners Leitung läuft derzeit noch eine multizentrische, internationale, randomisierte, doppelblinde Placebo-kontrollierte Studie eines SGLT2-Hemmers mit renalen Endpunkten. In der ereignisgesteuerten EMPA-KIDNEY-Studie wird Empagliflozin bei rund 5.000 Patienten mit chronischer Nierenerkrankung mit und ohne Diabetes getestet.
Die Frage sei nämlich, ob auch Nicht-Diabetiker von einer Therapie mit einem SGLT2-Hemmer profitieren. „Da sich der tubulo-glomeruläre Feedback-Mechanismus eventuell auch bei Nicht-Diabetikern durch einen SGLT2-Hemmer aktivieren lässt, wurde die Hypothese aufgestellt, dass auch nicht-diabetische Nierenerkrankungen behandelt werden können z.B. Glomerulonephritis“, sagt Wanner. Das werde derzeit in Studien mit mehreren SGLT2-Hemmern – Dapagliflozin, Empagliflozin und Sotagliflozin – untersucht.