Der Grund: Noch immer würden ambulante Angebote seitens der Krankenkassen nur zögerlich unterstützt. Daher hätten sich schon viele Anbieter aus diesem Segment zurückgezogen, berichtet Wiegand. „Wir benötigen bundesweit Schulungsangebote für junge Kinder und deren Familien. Die Leitlinie betont, dass allen Betroffenen der Zugang zu einem Schulungsprogramm ermöglicht werden sollte. Dies gilt auch für den ländlichen Bereich, in dem die Adipositasprävalenz höher liegt als in der Stadt.
Martin Wabitsch, einer der federführenden Autoren der neuen Leitlinie, gibt allerdings zu bedenken: „Bei Jugendlichen mit extremer Adipositas liegt die Erfolgsrate deutlich niedriger als bei jüngeren Kindern. Für diese spezielle Gruppe von jungen Patienten benötigen wir neue Therapiekonzepte“.
DGKJ-Präsidentin Ingeborg Krägeloh-Mann ergänzte: „Die umfangreiche Cochrane-Analyse […] gibt Entscheidungsträgern jetzt fundierte wissenschaftsbasierte Empfehlungen an die Hand.“ Denn die neu erschienene Leitlinie macht deutlich: Die Adipositas ist das Ergebnis des Lebensstils unserer Gesellschaft.
Und „die derzeitigen Mechanismen, mit denen Übergewicht und Adipositas auf Bevölkerungsebene begegnet wird, sind […] noch unzureichend und zum Teil inadäquat“, so die Schlussfolgerung der Leitlinienautoren. Für das gesunde Aufwachsen von Kindern seien tiefergreifende Änderungen erforderlich, für die eine starke politische Unterstützung nötig ist.
Dem Kinder- und Jugendarzt komme dabei in Zusammenarbeit mit weiteren Professionen eine wichtige Rolle zu. Er sei der Vermittler der in der Leitlinie zusammengetragenen Empfehlungen und Botschaften: Hierzu gehören unter anderem die Reduktion zuckerhaltiger Getränke und die Beachtung der Portionsgrößen, die Ausrichtung des Speiseangebots in Kitas und Ganztagsschulen an den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und die Förderung der körperlichen Aktivität im Kindes- und Jugendalter.
Deshalb sollte, so die Leitlinie, der Prävention der Adipositas in der Aus- und Weiterbildung der Ärzte ein wesentlicher Stellenwert eingeräumt werden.