Eine neue Studie des WHO-Regionalbüros für Europa zeigt, dass, trotz der Bemühungen um eine entsprechende Prävention, einige Gebiete der Europäischen Region der WHO weiterhin mit relativ hohen Adipositasraten bei Kindern zu kämpfen haben. Gleichzeitig zeigt eine zweite Studie, dass Säuglinge, die nie oder nur unregelmäßig gestillt werden, ein höheres Risiko für Adipositas im Kindesalter haben.
Den beiden im Rahmen des diesjährigen Europäischen Kongresses zum Thema Adipositas in Glasgow veröffentlichten Studien zufolge werden im Kampf gegen die zunehmende Adipositas im Kindesalter nur langsam und uneinheitlich Fortschritte in der Region erzielt.
„Je länger ein Kind gestillt wird, desto besser ist es vor Adipositas geschützt. Dieses Wissen könnte unsere Bemühungen um die Prävention von Adipositas verstärken. Der Adipositas im Kindesalter – einschließlich der schweren Adipositas – den Kampf anzusagen, kann erhebliche positive Auswirkungen haben – nicht nur für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern, sondern auch für die nationalen Gesundheitssysteme. Daher müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um das Stillen in der gesamten Region zu fördern und zu schützen“, sagte Dr. Bente Mikkelsen, Direktorin der Abteilung Nichtübertragbare Krankheiten und Gesundheitsförderung im gesamten Lebensverlauf beim WHO-Regionalbüro für Europa.
Folgen einer schweren Adipositas
Eine schwere Adipositas im Kindesalter geht mit sofortigen wie auch langfristigen kardiovaskulären, metabolischen und anderen negativen gesundheitlichen Resultaten einher. Vergleicht man übergewichtige Kinder mit Kindern, die an einer schweren Adipositas leiden, weisen letztere ein deutlich schlechteres kardiometabolisches Risikoprofil auf. Laut der neuen Studie der WHO mit dem Titel „Prävalenz schwerer Adipositas bei Kindern im Grundschulalter in 21 Ländern der Europäischen Region“ leiden nahezu 400 000 der ungefähr 13,7 Mio. in den 21 teilnehmenden Ländern lebenden Kinder im Alter zwischen 6 und 9 Jahren unter einer schweren Adipositas.
Diese Studie ist die erste, welche die Prävalenz einer schweren Adipositas bei Schulkindern untersucht. Schwere Adipositas ist ein besorgniserregendes Problem für die öffentliche Gesundheit und die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine große Anzahl an Kindern in der Europäischen Region betroffen ist. Angesichts der Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Sozialfürsorge und die Wirtschaft betont der neue Bericht, dass das Problem der Adipositas über eine Reihe von Ansätzen von der Prävention bis hin zu frühzeitiger Diagnose und Behandlung in Angriff genommen werden muss.
Zusammenhang zwischen dem Stillen und Adipositas
Die zweite Studie mit dem Titel „Zusammenhänge zwischen Merkmalen bei der Geburt, dem Stillen und Adipositas in 22 Ländern“ ergab, dass, trotz ständiger neuer Forschungserkenntnisse, die auf die gesundheitlichen Vorteile des Stillens hindeuten, sowie zahlreicher politischer Initiativen, die auf die Förderung optimaler Stillpraktiken abzielen, die Rate für ausschließliches Stillen in der Europäischen Region weiterhin unter dem weltweit empfohlenen Wert liegt.
Die WHO empfiehlt, einen Säugling während der ersten sechs Lebensmonate ausschließlich zu stillen. Danach sollte das Stillen möglichst bis zum 2. Lebensjahr oder darüber hinaus fortgesetzt und zusätzlich nahrhafte Beikost zugefüttert werden.
Die vorliegende Studie zeigt, dass in nahezu allen Ländern mehr als 77% der Kinder gestillt wurden. Es gab jedoch ein paar Ausnahmen: in Irland beispielsweise wurden 46% der Kinder überhaupt nicht gestillt, in Frankreich waren es 38%, in Malta 35%. Nur 4 von 12 Ländern wiesen eine Prävalenz für ausschließliches Stillen (für eine Dauer von 6 Monaten oder mehr) von mindestens 25% auf: Tadschikistan (73%), Turkmenistan (57%), Kasachstan (51%) und Georgien (35%).
Der Studie zufolge entsprechen die Stillpraktiken in der Europäischen Region aus verschiedenen Gründen nicht den Empfehlungen der WHO. Hierzu zählen etwa unwirksame Konzepte zur Förderung des Stillens, fehlende Vorbereitung von Gesundheitsfachkräften auf die Förderung des Stillens, intensive Marketingmaßnahmen zugunsten von Muttermilchersatzprodukten sowie Probleme bei der Verabschiedung von Gesetzen zum Mutterschutz.
„Die Förderung des Stillens bietet eine Chance für Handlungskonzepte zur Prävention von Adipositas, mit denen sich das Problem der Adipositas im Kindesalter in der Europäischen Region angehen ließe. Vorhandene nationale Handlungskonzepte zur Förderung der Stillpraktiken und die Art, wie diese Konzepte ausgearbeitet werden, können in manchen Ländern den Unterschied ausmachen zwischen mehr oder weniger erfolgreichen Fortschritten im Kampf gegen Adipositas“, erklärte Dr. João Breda, Leiter des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, der auch die WHO-Initiative zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter (COSI) leitete. Die von dieser Initiative ausgehende Forschung war Grundlage für beide Berichte.
Die COSI wurde vor mehr als 10 Jahren ins Leben gerufen, um die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern im Alter zwischen 6 und 9 Jahren abzuschätzen und die diesbezüglichen Veränderungen zu überwachen. Seitdem gab es fünf Runden der Datenerhebung in mehr als 40 Ländern und unter mehr als einer halben Million Kindern.